Der aggressive Hund

Begegnung beim Gassigehen:

Großer Hund und kleiner Hund müssen aneinander vorbei, Ausweichmöglichkeiten gibt es keine. Großer Hund geht stoisch seines Weges, während der kleine allerdings immer nervöser wird. Er wechselt von der linken Seite bei seinem Menschen auf die rechte, um diesem großen Ungetüm da vorne nur ja recht gut auszuweichen.

 

Unglücklicherweise sind die Hunde aufgrund der Leine gezwungen, aufeinander zuzugehen, bis es dem kleinen reicht: er beginnt zu bellen. Seinem Menschen ist dies offenbar unangenehm, und er entscheidet sich fatalerweise dafür, seinen Hund zu maßregeln, indem er an der Leine ruckelt, sich über ihn beugt und ihn anschreit. Daraufhin ist der Hund (der inzwischen noch kleiner geworden ist und sich am liebsten eingraben möchte) zwar kurzzeitig still, doch dem aufmerksamen Beobachter entgeht nicht der stetig steigen Streßpegel.

Erst als die Hunde aneinander vorbei sind, entspannt sich der Kleine wieder, setzt noch ein letztes "Wuff" hinten nach (das ebenfalls wieder von seinem Menschen entsprechend korrigiert wird!) und bringt Distanz zwischen sich und der großen Gefahr.

Was ist passiert? Der Mensch hat das Bellen seines Hundes offensichtlich als Aggression dem großen Hund gegenüber gedeutet, was ihm anscheinend peinlich war. Deshalb hat er ihn durch Schmerz (Leinenruck) und Bedrohung (Anschreien, sich über ihn Beugen) korrigieren wollen. Daß soetwas auf Dauer genau das Gegenteil bewirkt, sollte wohl jedem klar sein. Der Hund lernt lediglich, daß Bellen sein Problem nicht löst. Also wird er irgendwann das Bellen einstellen und diese Stufe der Eskalationsleiter überspringen - bis schließlich nur mehr das Beißen übrig bleibt.

 

Aggressive Hunde gibt es eigentlich kaum. Sehr oft ist, das, was von den Menschen als Aggression gedeutet wird, einfach nur normale Kommunikation - die allerdings verschiedenes bedeuten kann!

Bellen und Knurren sind für einen Hund nichts anderes, als für einen Menschen das Reden; lautes und aufgeregtes Reden, Schreien vielleicht sogar, aber nicht das, was man gemeinhin als Aggression bezeichnen würde (die Verhaltensforscher unter meinen Lesern werden jetzt natürlich aufschreien und sagen, dass Bellen und Knurren lediglich zwei Stufen auf der Eskalationsleiter der Aggression darstellen. Ich entschuldige mich bei euch für die Ungenauigkeit dieses Eintrags).

Der Grund hierfür ist ganz einfach: Bellt ein Hund an der Leine, bedeutet das fast immer, dass er eine für ihn bedrohliche Situation ausgemacht hat. Durch das Bellen gibt er zu verstehen, dass die Bedrohung sich entfernen möge, oder zumindest nicht näher kommen soll! Vergegenwärtigt man sich diese Tatsache, wird einem sofort klar, was zu tun ist: Entfernung aufbauen, dann beruhigt sich der Hund meist recht schnell wieder.



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